Helmut Creutz

Helmut Creutz verdankt der Equilibrismus inhaltlich eine Menge. So stehen z. B. die Teile unseres Konzeptes, die sich mit der Geld-, der Steuer- und der Reform der Krankenversicherung befassen, auf von ihm geschaffenen Fundamenten. Er war ein Mensch, der den Dingen immer auf den Grund ging. Mit scharfem analytischen Blick ausgestattet, erfasste er nicht nur Missstände in der Gesellschaft, sondern legte immer auch ihre Wurzeln frei.

Während viele auf Ungerechtigkeiten mit lautstarkem Protest reagieren, wollte er zunächst aufzeigen, welche Rahmenbedingungen diese Ungerechtigkeiten möglich machten – und damit gleichzeitig den Weg weisen, wie diese Bedingungen geändert werden könnten. Also Vernunft vor Emotion, die oft blind macht.

Der 2. Weltkrieg verhinderte – wie bei so vielen seiner Generation – eine Schulbildung, die ihm seinen Berufswunsch Ingenieur erfüllbar gemacht hätte. Obendrein wurde er im Krieg verwundet, geriet in Gefangenschaft. Gesundheitlich schwer gezeichnet kam er zurück.

In den Aufbaujahren ging es nicht darum, wie viel jemand bereits als Berufserfahrung mitbrachte, sondern was er sich zutraute. Und Helmut Creutz traute sich viel zu, vor allem weil er neugierig war und seinen analytischen Verstand einsetzte. So erkannte er immer schnell: „So ist etwas – und so könnte es sein“.

Das galt für den Bereich Innenarchitektur, in dem er tätig wurde und z. B. neue Möbelkonzepte entwickelte. Das galt aber noch mehr für alle gesellschaftspolitischen Bereiche. Beginnend mit der Situation im Betrieb, in dem er über 20 Jahre gearbeitet hatte, und in dem ein Besitzerwechsel zu unhaltbaren Zuständen führte, erkennt Helmut Creutz, dass nur solidarisches Auftreten eine Belegschaft stark macht.

Und er beginnt zu schreiben: „Gehen oder kaputtgehen. Betriebstagebuch“ (1973). Als seine Tochter in die Schule kommt, stellt er deprimiert fest, dass sich in den 40 Jahren seit seiner Schulzeit nichts Wesentliches geändert hat. Als Konsequenz schreibt er „Haken krümmt man beizeiten. Schultagebuch eines Vaters“ (1977).

Zunehmend fallen ihm auch in dem Bereich, der alle betrifft, Ungereimtheiten auf: Wohnen. Und wieder geht er analytisch kühl an die Sache heran: er besorgt sich Zahlenmaterial, setzt es in Grafiken anschaulich um – eine Vorgehensweise, die sozusagen sein Markenzeichen wird. „Bauen, Wohnen, Mieten – Welche Rolle spielt das Geld?“ erscheint 1986 im Eigenverlag. Helmut Creutz ist bei den grundlegenden Problemfeldern angekommen: Die bestehenden Geld- und Bodenordnungen, die den Besitzern von Grundstücken und Kapital leistungslose Einkommen bescheren!

Diese Renditen müssen bei denen abgezweigt werden, die die Arbeit leisten – und das möglichst gut verschleiert. Diese Schleier zu lüften beschäftigt Helmut Creutz in den folgenden Jahrzehnten bis zu seinem Tod im Jahr 2017. Und wieder geht er sachlich vor, beschafft sich die nötigen Zahlen, setzt sie in Beziehung, entwirft Grafiken, die dafür sorgen, dass dem Betrachter das Offensichtliche quasi anspringt. Mit „Das Geld-Syndrom. Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft“ legt er 1993 eine geballte Sammlung seiner Analysen vor.

Dieses leicht verständlich geschriebene Buch, inzwischen mehrfach neu aufgelegt, wurde zum Standardwerk für alle, die über den Tellerrand der ökonomischen Standardliteratur hinausblicken wollen.

Helmut Creutz wurde nie müde, in unzähligen Vorträgen auf Zusammenhänge hinzuweisen (z.B. zwischen Kriegen und Geld) und beantwortete geduldig Fragen von Zuhörern und Lesern. Diese veranlassten ihn zu seinem letzten Buch „Die 29 Irrtümer rund ums Geld“ (2004). Als der Equilibrismus zur Buchvorstellung in München den Saal des Literaturhauses anmietet, befallen uns selbst Zweifel, ob wir nicht größenwahnsinnig sind.

Die Leute machen es spannend – sie kommen spät und ohne Anmeldung, aber dann so zahlreich, dass viele weggeschickt werden müssen und die Veranstaltung mit Verspätung stattfindet! Wir freuen uns mächtig, dass Helmut den verdienten Rahmen bekommen hat!

Mit Helmut Creutz hat der Equilibrismus e.V. nicht nur einen wichtigen Impulsgeber verloren, sondern auch einen persönlichen Freund, zu dem er durch seine bescheidene Art geworden war. Für die Geld- und Bodenreformszene war er so etwas wie ein Star – nur in seinen eigenen Augen nicht.

In ihrem Sachbuch „Equilibrismus – Neue Konzepte statt Reformen für eine Welt im Gleichgewicht“ von 2005 dankten die Autoren Helmut Creutz mit diesen Worten:

Helmut Creutz: Wenn sich jemand so beklauen lässt wie er, dabei die Diebe auch noch berät, wie es am besten anzustellen ist, und – als wenn das alles noch nicht reichen würde – hinterher sogar das Ergebnis überprüft, dann kann sicher keine Naivität der Grund dafür sein, sondern die selbstlose Bereitschaft, die Früchte der eigenen Arbeit möglichst breit zu streuen – und echte Freundschaft. Alle Teile dieses Buches, in denen sich mit dem Themenbereich Geld und Wirtschaft befasst wird, atmen den Geist dieses kühlen Kopfes und scharfen Analytikers.